Am 11. Juni 2020 gab es einen Wechsel im Rat der Stadt Bad Iburg.
Nazih Musharbash hatte nach der Ratssitzung im März seinen Rücktritt erklärt, den er in seiner Rede gestern noch einmal eindrucksvoll begründet hat. Unten die Rede im Originaltext.
Von unserer Bürgermeisterin Annette Niermann erhielt er neben einem Korb mit Lebensmitteln für sein neues Hobby, das Kochen, auch 2 Medaillen und 2 Urkunden:
Als Zeichen ehrender Anerkennung für besonders hervorragende Verdienste um die Gemeinde und die Bürgerschaft der Stadt Bad Iburg verleiht der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund ihm die Ehrenmedaille.
Die Stadt Bad Iburg verleiht Herrn Nazih Musharbash in Anerkennung und Würdigung der Verdienste für seine Stadt und für seine 33-jährige Tätigkeit im Rat der Stadt Bad Iburg eine Ehrenurkunde und die Sophie-Charlotte-Medaille.
In Ihren Reden bedauerten sowohl die Bürgermeisterin als auch unser Fraktionsvorsitzender Hannes Geesen den Rücktritt und dankten Ihm für seinen jahrzehntelangen Einsatz für die Stadt Bad Iburg zum Wohle aller Bürgerinnen und Bürgern.
Danach wurde Hartmut Baumann in sein Amt eingeführt und verpflichtet. Hannes Geesen überreichte Ihm einen SPD-Zollstock für ein „gutes Maß“ und „gute Arbeit“.

Wir wünschen Nazih und Hartmut alles Gute!!
Nazih Musharbash
Rede zum Mandatsverzicht am 11. Juni 2020
Dass es mir möglich war, 33 Jahre im Rat und 25 Jahre im Kreistag kommunalpolitische Arbeit leisten zu dürfen, habe ich den vielen Wählerinnen und Wählern, meiner Fraktion, aber auch meiner Frau zu verdanken. Als wir 1972 nach Sentrup zogen, war ich der erste Ausländer, der erste SPD-Ratsherr und der 7. oder 8. evangelische Bürger im Dorf. Hier wurde ich, trotz meiner drei Todsünden, mit offenen Armen aufgenommen.
Als Angehöriger einer politischen Minderheit habe ich den Umgang mit erdrückenden Mehrheiten in der Opposition kennen gelernt. Entscheidungen der Mehrheitsfraktionen habe ich stets akzeptiert und als Demokrat nach außen vertreten und verteidigt.
Politik ist für das Zusammenstehen unserer Gesellschaft unerlässlich. Auf keinen Fall verdirbt die Politik den Charakter. Eher gibt es charakterlose Politiker.
In den letzten 7 Ratsperioden habe ich drei ehrenamtliche Bürgermeister/in, zwei Stadtdirektoren, und zwei hauptamtliche Bürgermeister/in so zu sagen „verschlissen“
Demokraten müssen sich um die Sache streiten dürfen. Und im Allgemeinen sollte gelten: Wer austeilt, muss einstecken können. Mit Sicherheit wird mir jeder zustimmen, dass ich beides gut konnte.
Der politische Streit muss sachorientiert bleiben und niemals persönlich werden. Selbst in den Zeiten der so genannten Iburger Verhältnisse unter Johannes Pöttering und Ludwig Fischer wurde um die Sache hart gestritten, aber persönliche Anfeindungen gab es nicht.
Auf diesen Grundsatz ist meiner Meinung nach in dieser Ratsperiode oft nicht geachtet worden.
Bürgermeister/Bürgermeisterinnen können viel bewegen, aber nicht ohne den Rat, da sie die Entscheidungen des Rates umsetzen. Wer ständig die Verwaltung oder die Bürgermeister/in ohne Grund kritisiert, übersieht, dass er eigentlich seine eigene Arbeit kritisiert.
Einige Ratsmitglieder geben öffentlich zu, dass sie mit einem Grund-Misstrauen der Verwaltung gegenüber angetreten seien. Misstrauen und Nörgelei, so meine Wahrnehmung, nahmen eine unerträgliche Dimension an, gepaart mit einer spürbaren Portion an Überheblichkeit.
Politik macht man mit Herz und Kopf und nicht sklavisch nach einem überholten, nicht mehr aktuellem Wahlprogramm, vor allem dann nicht, wenn externe Gutachter genau das Gegenteil belegen.
Die Bevölkerung muss sich darauf verlassen können, dass verlässliche nachvollziehbare politische Entscheidungen getroffen werden, ohne eigene Profilierung.
Es heißt: Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Hätte ich mich an diesen Spruch gehalten, müsste ich mein Ratsmandat vor vielen Jahren abgegeben haben, als es am schönsten war, zum Beispiel:
- Als Sentrup eine Frischwasserleitung, Kanalisation und Straßenbeleuchtung erhielt und dort das Gewerbegebiet angesiedelt wurde,
oder
- als wir eine sehr erfolgreiche Landesgartenschau durchführen durften.
Heute höre ich auf, nicht weil es am schönsten ist, im Gegenteil!
Ich gebe jetzt mein Ratsmandat ab, weil ich seit Monaten meine Ratsarbeit mit mehr Frust und immer weniger Lust verrichtet habe.
Und wenn zunehmend der gegenseitige Respekt und die Wertschätzung zur Mangelware werden, mehr auf Formalien als auf Inhalte geachtet, und wenn die größte Gruppe im Rat die Rolle der Opposition einnimmt, dann ist es Zeit für mich danach zu fragen, wie lange mache ich da noch mit.
Für mich gibt es also genug Gründe für einen Mandatsverzicht, obwohl ich mir das Ende meiner kommunalpolitischen Arbeit nicht so vorgestellt habe.
Und zusätzlich und maßgeblich für meine Entscheidung kam noch eine – meiner Meinung nach – der gravierendsten Fehlentscheidungen aller bisherigen Ratsperioden überhaupt hinzu. Nämlich: das Festhalten an drei Grundschulstandorten unter Kenntnisnahme, dass die zusätzlichen Kosten für weitere bis dahin unbekannte Erweiterungsmaßnahmen weder dem Rat noch der Öffentlichkeit bei dem Bürgerentscheid bekannt waren.
Damit wurde für mich eine rote Linie überschritten. Diese historische Fehlentscheidung kann und will ich nicht mittragen. Eine Ablehnung alleine reicht mir nicht, weil ich auch in Zukunft dafür eine gewisse Verantwortung tragen würde.
- Ich lege mein Ratsmandat nieder,
- bleibe weiterhin unserer Stadt verbunden,
- bedanke mich bei der Verwaltung und bei allen, die mir gut gesonnen waren und mit denen ich eine fruchtbare und erfolgreiche Ratsarbeit verrichten durfte,
- bei den Kollegen der CDU und der Grünen
- wünsche meinem Nachfolger Hartmut Baumann viel Erfolg und
- dem Rat bessere und vor allem konstruktive Zusammenarbeit zum Wohle unserer Stadt als politische Einheit – ohne Ortsteildenken.
